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PR-Sprechblasen: Die ganze Welt will innovativ sein

Es gibt viele schöne Wörter und Redewendungen, die kaum jemand in den Mund nimmt und die deswegen ein echtes Schattendasein führen. Springinsfeld ist ein Weltklasse-Wort. Oder auch: Fersengeld geben. Und dann gibt es viele Wörter, die sehr häufig benutzt werden, auch in der Unternehmenskommunikation und von PR-Agenturen. Obwohl sie eigentlich gar nicht schön sind. Darunter: innovativ.

Weit oben platziert

Gäbe es eine Rangliste der beliebtesten PR-Wörter, dann wäre innovativ Kandidat für einen Spitzenplatz. Viele Unternehmen wollen sich mit diesem Wort schmücken. Da heißt es genauso in der Online-PR wie auch im Kundenmagazin: Wir sind ein innovatives Unternehmen aus Braunschweig; wir haben ein innovatives Produkt entwickelt; wir gehen einen innovativen Weg.

Warum der PR-Berater das Wort besser nicht gebraucht? Dafür gibt es mehrere Gründe. Etwa diesen: Jeder, alle miteinander, ja die ganze Welt will innovativ sein – darum möchte ich nicht innovativ sein; denn ich bin nicht wie jeder, sondern anders.

Ein weitaus wichtigerer Grund, sich in Zurückhaltung zu üben, ist der hier: Offensichtlich ist innovativ ein Fremdwort. Was ist das eigentlich? Ein innovatives Unternehmen aus Braunschweig? Viele können keine Antwort geben. Und das sollte zu denken geben.

Ziele von PR

Denn PR, PR-Berater und PR-Agentur sind ja dazu da, gute Beziehungen aufzubauen und für Akzeptanz und Verständnis zu sorgen. Kunden oder Mitarbeiter sollen verstehen, wofür das Unternehmen steht, was es will und warum es so und nicht anders handelt.

Und dann steht da plötzlich ein Wort im Zentrum, mit dem kaum jemand etwas anfangen kann? Ein Wort, auf das sich keiner so recht einen Reim machen kann? Das darf nicht sein.

Wenn Sie nun sagen: „Also für mich bedeutet innovativ: neu. Und hier und da auch mal einfallsreich.“ Sehr gut, benutzen Sie genau diese Wörter. Und sorgen Sie dafür, dass das Wort innovativ nicht mehr so oft auftaucht. Also Fersengeld gibt.

Schätzen, wertschätzen und Sprachschätze

Weihnachten in Braunschweig. In diesem Jahr bei geschätzten zehn Grad. Geschätzte zehn Grad? Haben die unseren Respekt verdient?

Nun ja, irgendwie schon. Zumindest diejenigen, die es gern etwas wärmer mögen, werden den zehn Grad ihre Hochachtung entgegenbringen. Wer es dagegen kälter mag, wird sie nicht so schön finden, die Temperaturen.

Wer also an Heiligabend zwischen Gans und Dessert seinen Lieben erzählen möchte, dass es sich heuer zu Weihnachten wie zu Ostern anfühlt, der darf gern von „geschätzt zehn Grad“ sprechen. Weil er sie ja über den Daumen peilt. Und nicht wertschätzt.

Solche schönen Bonmots gibt es jeden Samstag im Sprachlabor der Süddeutschen Zeitung. Und weil die Redaktion ihre Sprachtipps auf eine lustige, sympathische Art vermittelt, liest man die wirklich gerne.

Eine echt gute, nun ja, geschätzte Kolumne.